Von Moreau
Gewalt wird angewendet, um einen anderen zu unterwerfen, ihm den eigenen Willen aufzuzwingen, ihn sich gefügig zu machen. Militärische Gewalt, man kann auch Krieg dazu sagen, dient demselben Zweck: der Durchsetzung eigener Interessen, aber in größerem Maßstab. Rohe Gewalt und ihre durchorganisierte Steigerung im Militär sind für jedermann leicht zu erkennen und leicht zu verstehen. Gehorche mir, tu, was ich dir befehle, gib mir, was ich haben möchte, oder ich bring dich um.
Nun gibt es allerdings auch Formen von Gewalt, die genauso brutal, genauso mörderisch sind, die aber vordergründig viel freundlicher daherkommen, die versteckt sind hinter abstrakten, schwer verständlichen, aber scheinbar harmlosen Begriffen, Begriffen wie zum Beispiel: „Freihandel”.
Seit Juli 2013 finden Verhandlungen statt zwischen der EU und den USA. Da geht es um ein sogenanntes „Freihandelsabkommen”. Der offizielle Name des Projekts lautet „Transatlantic Trade and Investment Partnership”, abgekürzt: TTIP. Ziel ist es, bis Ende 2014 ein Abkommen zu unterzeichnen, das eine transatlantische „Freihandelszone” begründen soll, eine „Transatlantic Free Trade Area”, abgekürzt: TAFTA.
Im Kern geht es bei diesem Abkommen um eine verschärfte Form des „Multilateralen Abkommens über Investitionen” (MAI), das 1998, nachdem der Inhalt des Abkommens bekannt geworden war, durch den Widerstand der Öffentlichkeit und der Parlamente zu Fall wurde. Beim TTIP-Abkommen geht es nun wieder darum, die Privilegien von Konzernen abzusichern und gegenüber dem gescheiterten MAI sogar noch auszuweiten. Konzerne sollen denselben Rechtsstatus erhalten wie Nationalstaaten, der Schutz von Konzern-Investitionen soll höher gewichtet werden als Gesetze zum Schutz von Mensch und Umwelt. Das bedeutet unter anderem, dass Unternehmen Regierungen verklagen können, „entgangene Gewinne” aus Steuergeldern auszugleichen. Sind z.B. in einem Land Gentechnik, Chlorhähnchen, Hormonschweine oder ähnliche Leckerbissen gesetzlich verboten, können die Konzerne auf Schadenersatz klagen und die Regierungen zwingen, die Gesetze den Wünschen der Konzerne anzupassen. Mit dem TTIP könnten Konzerne aber nicht nur „handelsbezogene Bestimmungen”, sondern nahezu alle Gesetze und Regelungen unter Beschuss nehmen. Alles geriete ins Rutschen: Klimaschutz, Energiewende, Umwelt- und Sozialgesetze, Gesundheit, Bildung, öffentliche Dienste, Daseinsvorsorge, Arbeitszeiten, Mindestlöhne, Banken- und Finanzmarktregulierungen, Lebensmittel- und Produktsicherheit, diverse Kennzeichnungspflichten, Raumplanung, Datenschutz u.v.m. Kurz, das TTIP-Abkommen würde die nationalen Regierungen bis hinunter in die Kommunalverwaltungen zwingen, ihre gesamte aktuelle und künftige Politik dem umfangreichen Regelwerk anzupassen. Praktisch bedeutet das Abschaffung der Demokratie und Entmachtung der Parlamente.
Da so einem Wahnsinn kein normal denkender Mensch zustimmen würde, finden die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen statt. „Damit wird gewährleistet, dass jenseits des geschlossenen Zirkels der ,Handelspolitiker’ niemand beizeiten mitbekommt, was tatsächlich auf dem Spiel steht”, sagt Lori Wallach von der weltweit größten Verbraucherschutzorganisation „Public Citizen’s Global Trade Watch” mit Sitz in Washington D.C. „Andererseits haben 600 offizielle Berater der Großkonzerne privilegierten Zugang zu den Dokumenten und zu den Entscheidungsträgern.” Lori Wallach vergleicht das Abkommen mit „dem Monster aus einem Horrorfilm, das durch nichts totzukriegen ist. Einmal in Kraft, wäre es bindend, dauerhaft und praktisch irreversibel, weil jede einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten geändert werden kann.”
Geheimhaltung einerseits, irreführende Propaganda andererseits: Die EU-Kommision, die US- Regierung und die Konzerne fürchten sich vor einer kritischen Öffentlichkeit. Nur so können wir TTIP stoppen: nicht alles glauben, sich informieren, Öffentlichkeit herstellen: mit Freunden darüber reden, Politiker und Medien damit konfrontieren, NGOs wie Attac unterstützen …
Lori Wallach, „TAFTA – die große Unterwerfung”
Harald Schumann, „Der transatlantische Freihandelsbluff”
George Monbiot, „So wird Demokratie geschreddert”
Weitere Informationen finden Sie u.a. auf www.attac.at und www.attac.de sowie auf diversen Seiten im Internet unter den Stichworten TTIP, TAFTA, Stopp TAFTA …
P.S.: In einer kürzlich geleakten Anweisung der EU-Kommission werden die Regierungen der Mitgliedsstaaten aufgefordert, positive Propaganda für das TTIP zu machen. Demnach sollen die Völker Europas mit dem Versprechen von Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätzen und „einem jährlichen Zusatzeinkommen von 500 Euro pro Familie” (EU-Handelskommissar Karel Gucht) ruhig gestellt werden.
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