Der Kampf gegen den Klimawandel droht verlorenzugehen: Der CO2-Ausstoß ist 2010 erneut gestiegen – und zwar rasanter denn je. Das hat eine neue Berechnung des US-Energieministeriums ergeben. Selbst die pessimistischsten Statistiken werden damit überboten.
Washington. Der Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid hat im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreicht: 2010, so lautet das Fazit einer Studie des US-Energieministeriums, habe es den größten je verzeichneten CO2-Anstieg gegeben. Am Donnerstag veröffentlichte die Behörde ihre neuesten Statistiken, die damit alle Szenarien in den Schatten stellen, die es bisher zu diesem Thema gegeben hat.
Die Zahlen überbieten selbst die pessimistischsten Szenarien, mit denen Experten vor vier Jahren vor der Geschwindigkeit der Erderwärmung gewarnt haben. Und sie machen deutlich, wie kläglich die bisherigen Bemühungen zur Eindämmung des CO2-Ausstoßes offenbar sind. „Je mehr wir über die Notwendigkeit reden, CO2-Emissionen zu kontrollieren, desto mehr steigen sie an”, sagte John Reilly vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge.
Dem Bericht zufolge hat die Welt 2010 insgesamt 512 Millionen Tonnen mehr des Treibhausgases CO2 ausgestoßen als 2009. Das entspricht demnach einem Plus von sechs Prozent. Mit am stärksten für den Anstieg verantwortlich sind der Statistik zufolge Indien und China, die immer mehr Kohlekraftwerke bauen. Mitarbeiter des Ministeriums machten aber auch die verbesserte Wirtschaftslage 2010 mitverantwortlich. China ist der Hauptverursacher von Treibhausgasen, gefolgt von den USA und Indien.
Greff Marland, Geologe an der Appalachian State University, der zuvor an den Berechnungen für das US-Energieministerium beteiligt war, sprach von einem noch nie dagewesenen „Monster-Anstieg”.
Auch Tom Borden, Leiter des Carbon Dioxide Information Analysis Center der US-Behörde, ist der Meinung, dass es sich um einen großen Sprung handelt. „Vom Standpunkt der Emissionen aus betrachtet, scheint die Weltfinanzkrise zu Ende zu sein”, sagte Borden. 2010 seien die Menschen wieder viel gereist, und die verarbeitende Industrie sei weltweit wieder auf dem Vormarsch. Das treibe den Verbrauch fossiler Brennstoffe in die Höhe – und damit den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase.
Insbesondere in bevölkerungsreichen Schwellenländern wie Indien und China greift die Nutzung von Kohle zur Energiegewinnung immer schneller um sich. Allein die CO2-Emissionen, die durch die Verbrennung von Kohle entstehen, sind dem Bericht nach 2010 um acht Prozent gestiegen.
Derart düstere Szenarien beherrschen schon seit 2007 immer wieder die Schlagzeilen. Seinerzeit hatten Mitarbeiter des Uno-Weltklimarats IPCC ihren letzten großen Sachstandsbericht vorgelegt. Bereits damals berechneten die Forscher vier verschiedene mögliche Szenarien für den weltweiten CO2-Ausstoß. Doch selbst die düsterste der vier Prognosen ist nunmehr übertroffen.
Quelle: Spiegel online, 4. November 2011