Wikileaks/Klimagipfel in Kopenhagen
Es war eine politische Katastrophe – jetzt wird klar, wie der Kopenhagener Klimagipfel vor einem Jahr so spektakulär scheitern konnte. Die enthüllten US-Botschaftsdepeschen verraten, dass die USA und China gemeinsame Sache machten. Die zwei größten Klimasünder hintertrieben alle Pläne der Europäer.
Es war ein Besuch, über den sich Chinas Machthaber freuen konnten. Ende Mai 2009 traf sich John Kerry, mächtiger Vorsitzender des Senatsaußenausschusses, in Peking mit Vizepremier Li Keqiang. Kerry sagte ihm, Washington könne „Chinas Widerstand verstehen, verbindliche Ziele bei der Uno-Klimakonferenz in Kopenhagen zu akzeptieren”.
Und dann skizzierte der Amerikaner laut einer nun von Wikileaks veröffentlichten Depesche der US-Botschaft Peking „die neue Basis für eine bedeutende Kooperation zwischen den USA und China beim Klimawandel”.
So etwas wie die Rettung der Welt sollte vor einem Jahr in Kopenhagen beschlossen werden – hofften damals noch viele Europäer. Doch der Klimagipfel Mitte Dezember 2009 endete im Desaster. Ohne konkretes Ergebnis gingen die Staatschefs schließlich auseinander. US-Depeschen belegen nun, wie eng die Kontakte der beiden größten Klimasünder der Welt, der USA und China, in den Monaten zuvor waren. Sie geben jenen Stimmen Gewicht, die über eine angebliche Koalition zwischen der alten und der neuen Supermacht schon lange spekulieren.
Begonnen hatte die Kooperation unter US-Präsident George W. Bush. Dessen Klimabeauftragter Harlan Watson organisierte 2007 ein „Zehn-Jahres-Rahmenabkommen über Zusammenarbeit bei Energie und Umwelt”. Zusätzlich vereinbarten die beiden Länder einen „Dialog über Strategie und Wirtschaft” – Kungelrunden, die weder Amerikaner noch Chinesen zunächst öffentlich machten.
Bushs Nachfolger Barack Obama und seine Außenministerin Hillary Clinton setzten den Austausch dann fort. Bei Clintons Antrittsbesuch in Peking stimmte China der Gründung einer „neuen Partnerschaft über Energie und Klimawandel” zu, so vermerkt die US-Botschaft Peking in einer Depesche vom 15. Mai 2009. Ziel sei auch, die Klimaverhandlungen in Kopenhagen zu einem Erfolg zu machen.
Doch was war für die USA und China ein Erfolg? Beide Länder verband, dass sie bislang nicht ernsthaft zu Einsparungen verpflichtet waren. Im Kyoto-Vertrag wird unterschieden: Auf der einen Seite stehen Industrienationen, die ihre Treibhausgasemissionen reduzieren müssen. Auf der anderen Seite sind die Entwicklungsländer, zu denen auch die Wirtschaftsmacht China zählt. Sie dürfen praktisch unbegrenzt Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen. „Gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung”, so heißt das Prinzip im Kyoto-Protokoll.
Da die USA das Papier zwar unterzeichnet, aber dann nie ratifiziert haben, können China und Amerika weiter qualmen. Die Europäer aber müssen ihren Energieverbrauch reduzieren. Deshalb kämpften sie nun vor Kopenhagen um einen neuen Vertrag: Zumindest die USA, China und die anderen Schwellenhändler Indien und Brasilien sollten sich auch auf konkrete Einsparziele festlegen.
In China stellte aber Kerry, einst Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Peking in Aussicht, was die Europäer nie aufgegeben hätten: Die USA und andere Industrieländer würden für sich Einsparziele beschließen. Für China aber solle weiter das alte Prinzip gelten. Die Chinesen müssten gemeinsam mit anderen „Entwicklungsländern” lediglich zusagen, dass sie „hart an Einsparungen arbeiten” wollen.
In einem Positionspapier für Kerry („scenesetter”) hatten Botschaftsexperten vorgerechnet, dass China „in den nächsten fünf Jahren 175 Milliarden Dollar in den Umweltschutz” investieren würde – und US-Firmen seien in diesem Feld bestens aufgestellt: „Westinghouse zum Beispiel schätzt, dass jedes Mal Tausende US-Jobs erhalten werden, wenn China einen weiteren Atomreaktor bei ihnen bestellt.”
Den Europäern blieb das enge Verhältnis zwischen China und den USA nicht verborgen. Das zeigt eine Note vom 30. Juni 2009 aus der US-Botschaft im australischen Canberra.
Das Memo fasst das Gespräch eines Botschaftsmitarbeiters mit einem Klimaunterhändler Australiens zusammen. Der berichtete von einem Vorbereitungstreffen für den G-8-Gipfel in L'Aquila. Den anderen Delegationen „einschließlich der EU” sei dort „der sichtlich vertraute” Umgang zwischen den USA und China aufgefallen. Ihre Beobachtungen ließen sie zweifeln, so der Australier, ob aus ihren Klimazielen etwas werden könne.
Im September 2009 ordnete das US-Außenministerium eine Werbekampagne der Botschafter in Europa an. Ziel der Aktion seien Regierungen, aber auch „Presse, NGOs … Meinungsführer”. Die Gesandten sollten ihnen klarmachen, dass „Obama die USA in eine neue Richtung im Kampf gegen den Klimawandel führt”. Er wolle entschlossen Treibhausgase einsparen: 17 Prozent.
Die Europäer sahen in dieser Ankündigung jedoch einen Rechentrick der USA. Denn die Amerikaner wollten als Referenzjahr 2005 nehmen – und nicht 1990 wie die Europäer. Doch die Botschafter sollten den Europäern weismachen, dass die US-Rechnung „konsistent ist damit, die Erderwärmung bei zwei Grad zu halten”.
Als dann im vergangenen Dezember die Staatschefs und Vertreter von 192 Nationen in Kopenhagen zusammenkamen, redeten alle von einem Abkommen. Europas Politiker waren in den entscheidenden Stunden aber nur noch Zaungäste. In einem Hinterzimmer verständigten sich China, Indien, Südafrika und Brasilien: Sie nahmen sich den Entwurf des Kopenhagen-Abkommens und strichen alle verbindlichen Verpflichtungen heraus. In das Verhandlungszimmer reingeplatzt war auch Barack Obama. Das Ergebnis der Streichaktion heißt jetzt „Copenhagen Accord”. Der schwammige Vertragsentwurf steht nun bei internationalen Verhandlungen in Konkurrenz zu einem konkreten Plan, wie ihn die Europäer fordern.
Bitter beklagte sich einen Monat nach Kopenhagen ein Unterhändler der Deutschen bei den Amerikanern: Es sei doch sehr misslich, „dass die Europäer nicht bei den wichtigen Verhandlungen zwischen den USA und China beteiligt waren”.
Im Gegensatz zur Apathie der Europäer nach dem Gipfel beeilte sich US-Klimaunterhändler Jonathan Pershing, weitere Fakten zu schaffen. Er und seine Emissäre köderten besonders die armen Länder mit Entwicklungshilfe, damit diese dem „Copenhagen Accord” zustimmen.
Einem Botschafter der Malediven etwa drängte Pershing Dollar-Millionen geradezu auf. Er solle konkret sagen, wie viel der Inselstaat für Anpassungsmaßnahmen brauche. Das, so Pershing, erhöhe „die Wahrscheinlichkeit”, dass der US-Kongress die Mittel schnell lockermache. „Andere Nationen würden dann realisieren, dass es Vorteile hat, wenn man mitmacht”, so ein US-Memo.
Um diese Botschaft noch besser in die Entwicklungsländer zu transportieren, schlug der Botschafter der Malediven vor, Obama solle doch eine Rede auf den Inseln halten. Schließlich sei das „eine dramatische Kulisse”, um über ökologische Herausforderungen zu sprechen.
Quelle: Gerald Traufetter, DER SPIEGEL, 7. Dezember 2010