Österreich hat eines der dichtesten Autobahnnetze der EU. Seit 1970 ist das Autobahnnetz um 1.200 Kilometer gewachsen, das Bahnnetz um 260 km geschrumpft. Der VCÖ fordert von der Politik Wirtschaftlichkeits- und Klimaschutzprüfungen für geplante Bauprojekte. Doch wie ernst nimmt die Politik den Klimaschutz wirklich? Dass die Bevölkerung anders, weiter und klüger denkt als so manche Verkehrspolitiker, hat die Verkehrsbefragung im Ennstal ergeben. Die Ennstalerinnen und Ennstaler räumen nicht nur dem Klimaschutz höchste Priorität ein, sondern auch dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Von wegen „wildes Bergvolk hinter dem Semmering”.
Mit der Eröffnung der A6 (Spange Kittsee) Mitte November 2007 hat Österreichs Autobahn- und Schnellstraßennetz inzwischen eine Länge von 2.103 Kilometer. Eine aktuelle VCÖ-Untersuchung zeigt, dass Österreich damit eines der dichtesten Autobahnnetze der EU hat. Mit 254 Kilometer pro Million Einwohner ist Österreichs Autobahnnetz im Verhältnis zur Einwohnerzahl um rund 70 Prozent größer als jenes von Deutschland und mehr als doppelt so groß wie jenes von Italien.
„Österreich ist nicht nur ein Land der Berge und ein Land der Äcker, sondern auch ein Land der Autobahnen. Nur Zypern und Luxemburg haben im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Autobahnkilometer als Österreich”, fasst VCÖ-Infrastrukturexperte DI Martin Blum eine aktuelle VCÖ-Untersuchung zusammen.
Die Ergebnisse der Untersuchung im Detail: In den EU15 gibt es im Durchschnitt 145 Kilometer Autobahnen pro Million Einwohner, in der EU25 sind es 129. Österreichs hochrangiges Straßennetz ist mit 254 Kilometer pro Million Einwohner fast doppelt so groß. „Auch im Vergleich zu Deutschland, Italien, Frankreich oder auch der Schweiz hat Österreich ein deutlich größeres Autobahnnetz”, stellt VCÖ-Experte Blum fest.
Eine der vielen Schattenseiten des wachsenden Autobahnnetzes: Österreich wird für den Lkw-Transit mit jedem neuen Autobahnkilometer attraktiver. „Zudem erhöhen sich die Erhaltungskosten. Damit werden auch die Kosten für die Autobahnbenützung steigen”, weist VCÖ-Experte Blum auf die Konsequenzen für Autofahrer hin. Der VCÖ fordert daher eine Überprüfung der geplanten Autobahnprojekte auf ihre Gesamtwirtschaftlichkeit.
Zudem ist die Klimaschutzwirkung der geplanten Autobahnen zu prüfen. Österreichs Autobahnen sind seit dem Jahr 1970 um mehr als 1.200 Kilometer gewachsen, das Schienennetz ist im gleichen Zeitraum um rund 260 Kilometer kleiner geworden. „Wenn die Regierung die Klimaschutzziele erreichen möchte, muss auch bei den Infrastruktur-Ausgaben gelten: Von der Straße auf die Schiene verlagern”, betont Blum.
Die Ennstaler Verkehrsbürgerinitiativen lehnen jeden weiteren Ausbau des hochrangigen Straßennetzes ab und setzen sich weiter für ein 7,5 Tonnage-Limit für Durchzugs-Lkws und für ein Lkw-Nachtfahrverbot im Ennstal sowie für massive Investitionen in den öffentlichen Verkehr ein. So sagt etwa der stellvertretende Obmann der Bürgerinitiative NETT (Nein Ennstal Transit Trasse), Moreau, angesichts der 2007 vom IPCC präsentierten Klima-Fakten erübrige sich grundsätzlich jede Diskussion über einen weiteren Straßenausbau: „Der Straßenverkehr ist der größte Wachstumstreiber bei Treibhausgasemissionen in der EU. In Österreich hat sich der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß seit 1990 fast verdoppelt. Jeder weitere Autobahnkilometer fördert den Autoverkehr. Mehr Autos, mehr Abgase. Wer weitere Autobahnen plant, projektiert und baut, setzt sich daher de facto für eine Erhöhung der Emissionen ein.”
Wie bereits die Ziele-Erhebung im Rahmen der Intermodalen Verkehrsplanung für das Ennstal ergeben hat, wünscht sich auch die Bevölkerung quer durch alle Lager und Interessensvertretungen nicht nur Maßnahmen zum Schutz des Klimas, dem Klimaschutz wurde sogar die höchste Priorität eingeräumt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Erhebung dieser übergeordneten Ziele für das Ennstal noch vor der Veröffentlichung des ersten UN-Klimaberichts und dem anschließenden Medien-Hype durchgeführt wurde.
Moreau: „Man kann nicht beides haben: Klimaschutz und noch mehr Autobahnen. Doch leider spielen viele maßgebliche Politiker und auch die Wirtschaftskammer mit gezinkten Karten: In den Sonntagsreden wird der Klimaschutz gepredigt, aber unter der Woche wird weiter fleißig die ‚Autobahn zur Auslöschung’, wie das IPCC unsere Höllenfahrt in den Klimakollaps nennt, asphaltiert.”
Was der Politik wirklich wichtig ist, lässt sich mit Zahlen belegen: Für den Zeitraum bis 2010 stellt die österreichische Bundesregierung 500 Millionen Euro für Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung. Für denselben Zeitraum hat die Regierung jedoch 4,6 Milliarden – das Neunfache – für weitere Straßen und Autobahnen budgetiert.
Während die Regierenden immer noch auf den Ausbau der Straßeninfrastruktur setzen und damit das Klima weiter aufheizen, scheinen die Regierten bereits ganz anders zu denken. Das hat zumindest die große Verkehrsbefragung im Ennstal ergeben: Der Neubau einer vierspurigen Schnellstraße oder Autobahn wird nur von 29% der Bevölkerung befürwortet, 71% lehnen ein solchen ab. 81% der Ennstalerinnen und Ennstaler fordern ein Lkw-Nachtfahrverbot und 88% stimmen einem 7,5 Tonnage-Limit für Durchzugs-Lkw zu. Den Ausbau der Bahn zur regionalen Hauptverbindung halten 87% für sehr wichtig, 91% Prozent wünschen sich häufigere Zugverbindungen und 92% votieren für den Ausbau der öffentlichen Zubringerdienste. Wenn sich das nicht wie das verkehrspolitische Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre liest …
Kilometer hochrangige Straßen pro Million Einwohner:
Zypern: 367 km pro Million EinwohnerDänemark: 190 km
Schweden: 184 km
Belgien: 168 km
Frankreich: 167 km
Deutschland: 148 km
Niederlande: 144 km
Finnland: 125 km
Lettland: 121 km
Italien: 113 km
Estland: 71 km
Griechenland: 67 km
Großbritannien: 61 km
Slowakei: 59 km
Ungarn: 56 km
Tschechien: 53 km
Portugal: 25 km
Polen: 14 km
Irland: 48 km
EU-15: 145 km
EU-25: 129 km
Schweiz: 182 km
Für Bulgarien, Rumänien, Malta und Litauen liegen keine Daten vor.
Quellen: EUROSTAT, VCÖ, oekonews, NETT, Zukunft Ennstal