Sabine Schiffer
Die Auseinandersetzung mit 9/11 ist noch immer mit Denkverboten behaftet
Am Montag erhielt ich eine Anfrage einer großen deutschen Wochenzeitung, für die Leserdebattenseite eine gekürzte Fassung meines Friedensjournalartikels (Zehn Jahre 9/11 – Ein Plädoyer für Meinungsfreiheit) zu verfassen mit der Zusage für eine Publikation. So geschehen, erhielt ich am Dienstag ein Absage mit folgendem Wortlaut:
„[…] bevor Sie weiter an dem Artikel arbeiten, muss ich Ihnen schreiben, dass wir uns leider gegen eine Veröffentlichung entschieden haben. Ich habe noch einmal mit meinen Kollegen über den Text gesprochen. Gemeinsam sind wir zu dem Beschluss gekommen, dass Sie sich in dem Artikel nicht deutlich genug von den Verschwörungstheorien distanzieren, für die Sie eine höhere Beachtung in den Medien fordern. Wir erleben immer wieder, das vereinzelte User diese Verschwörungstheorien in unseren Leserdebatten propagieren, und möchten dies nicht noch weiter befördern. […]”Und hier der Text, damit sich jede(r) selbst ein Bild machen kann, worum es geht – um einzuhaltende Diskursrituale, Zensur und Leserunterschätzung, würde ich meinen … naja, so wurde wenigstens verhindert, dass die Online-Ausgabe der angesehenen Zeitung meine Einschätzung im Artikel konterkariert:
Sabine Schiffer
19 Islamisten, mit Teppichmessern bewaffnet, entführten am 11. September 2001 vier Boeings in den USA und verursachten einen traumatischen Terroranschlag. Dahinter wird sofort Osama bin Laden vermutet und (s)ein Netzwerk Al Qaida. Die These einer Verschwörung von Islamisten gilt auch 10 Jahre nach dem Ereignis, das 3000 Menschenleben kostete und sich mittels Echtzeitbildern ins kollektive Gedächtnis der mediatisierten Welt brannte, als offizielle Theorie. Zwar wurden einige der Verdächtigen gefasst und „verhört”, aber zu einer Verurteilung kam es nicht. Der Hauptverdächtige Bin Laden wurde nach einem Killer-Einsatz für tot erklärt. Wegen 9/11 wurde er laut Aussage des FBI nicht gesucht. Obwohl sich der offizielle Untersuchungsbericht als unhaltbar erwies, gilt die offizielle Verschwörungstheorie weiterhin als einzige Nicht-Verschwörungstheorie.
George Bush ist es gelungen, alle aufkommenden Zweifel als „Verschwörungstheorie” zu denunzieren – obwohl auch er nicht behauptet, dass es die Tat eines Einzelnen war. Das Feindbild Islam könnte dies sowie die folgende Kriegsbereitschaft begünstigt haben. Terrorismus-PR hat zu Aufmerksamkeitsverschiebungen geführt, wie man an den vorschnellen Fehlinterpretationen der Anschläge in Norwegen sehen konnte. Obwohl die Betonung des „islamistischen Terrors” jeder Statistik widerspricht, ist das Feindbild fest verankert. Afghanistan wurde das erste Kriegsziel „danach”. Das Peak-Oil-Gutachten der Bundeswehr belegt: Die Ressourcen- und Wirtschaftskriege haben begonnen.
Viele Medien vermeiden es, kritische Fragen zu stellen. Man übernimmt meist unkritisch die Behauptungen vom „Krieg gegen den Terror” oder auch mal die Ziele Humanität (z.B. Brunnenbohren) oder Menschenrechte (z.B. Frauenrechte). Das emotionale Element von 9/11 wirkt etwa beim ARD-Magazin Titel-Thesen-Temperamente, das am 10. Juli 2011 Mathias Bröckers ein Forum für sein Buch zu 9/11 bot. Der Moderator distanzierte sich verbal. Dabei wäre die klassische Aufgabe der Medien, die einzig erlaubte Version, die eine Machtpolitik begünstigt, in Frage zu stellen angesichts der Unhaltbarkeit der Behauptungen allein aus physikalischen Gründen.
Inzwischen fordern Piloten, Politiker, Architekten u.v.m. eine neue Untersuchung. Im japanischen Parlament fand eine Anhörung statt und auch Angehörige der Opfer setzen sich für die Aufklärung der „9/11-Mysteries” ein.
Der Spiegel zeigt in seiner Ausgabe vom 8.9.2003 auf der Titelseite die brennenden Twin-Towers auf dem Kopf. Die Artikel behandeln nur Aspekte, die die offizielle Verschwörungstheorie stützen. Widersprüche werden eingeebnet. Nun kündigt der Fernsehsender VOX für den 10. September ein 12-stündiges Programm an: Dort werden die Spiegel-Autoren ihr altes Material recyceln dürfen. Bewährte Abwertungsversuche, wie die Kombination mit Mondlandungs-Mythen u.a., sind zu erwarten. Diffamierung durch Psychiatrisierung weist Marcus Klöckner vielen Medien nach. Meinungsfreiheit unerwünscht!
Seit 9/11 scheint es eine Art Feind-Presse-Kodex zu geben. Entgegen der üblichen Sorgfalt in der Straftatberichterstattung, wird mit Wörtern wie „mutmaßlich”, „verdächtig” oder „angeblich” gespart. Angesichts der Todesnachricht von Bin Laden heißt es nicht, dass „er für das Verbrechen verantwortlich gemacht wird”, sondern, dass er „für das Verbrechen verantwortlich ist”. Das kann sein, aber es gibt keinen Beweis. An dieser Stelle geht es nicht um die Leugnung des Möglichen, sondern um die journalistische Pflicht, einen Tatverdächtigen von einem Verurteilten zu unterscheiden.
Gerade wenn „die Wahrheit” ankündigt wird, ist Vorsicht geboten etwa bei der öffentlich-rechtlichen Reportage „WTC7 – Mythos und Wahrheit”. Der Beitrag räumt genau so viele Ungereimtheiten ein, wie nicht mehr zu leugnen sind, um dann neue Thesen aufzustellen, die die offizielle Theorie bestätigen könnten. Dabei wird den Kritikern das vorgeworfen, was auf die Verteidiger der Bush-Theorie zutrifft: nur die Fakten zu nennen, die ins Konzept passen.
Wie das Fernsehen die Kulturkampfthese von Bernard Lewis und Samuel Huntington bedient, zeigt die ZDF-Serie von Guido Knopp zum 10. Jahrestag, die 9/11 in den Kontext eines „1400-jährigen Konkurrenzkampfes zwischen Islam und Christentum” stellt. Dies wiederum entspricht genau der Sichtweise der „Initiative 1683”, deren christlich-fundamentalistische Geschichtsdeutung eine Vorlage des „Manifests 2083” des Attentäters von Norwegen war. Die Welt verknüpft die Anschläge mit neoliberaler Wirtschaftsdoktrin als Metapher für die angeblich bedrohte Freiheit, um schließlich zur Bekämpfung des Nazi-ähnlichen Feindes aufzurufen (Mathias Döpfner). Dieser Konformismus stellt den Missbrauch nicht in Frage, dass ein unaufgeklärter Massenmord zur Legitimation desaströser Maßnahmen herhalten muss, der nach wie vor Menschenleben kostet. An einige Kernfragen, die allein schon nach einer unabhängigen Untersuchung schreien, sei hier erinnert:
Unseren Medien würde es sicher gut stehen, ihre Rolle als Vierte Gewalt ernst zu nehmen.
Sabine Schiffer ist Leiterin des Instituts für Medienverantwortung.
Quelle: Telepolis