Dr. Franz Häusler, Aigen i.E.
Unsere Gesellschaft ist mobil wie nie zuvor in der Geschichte, und das am liebsten mit dem fahrbaren Untersatz auf vier Rädern. Nicht ohne Folgen, wie die Debatte um den immer dringender werdenden Klimaschutz zeigt. Bei der Forderung – Mobilität habe sich zu ändern – sind sich die meisten ja einig. Wenn es aber um konkrete Maßnahmen geht, laufen die Meinungen schnell auseinander. Es wird auch nicht nützen, mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Wie Untersuchungen des VCÖ und Aussagen der Politik zeigen, legen wir bei mehr als 50% aller mit dem Auto zurückgelegten Wege Strecken von weniger als 5 km zurück. Sich diese Tatsache ins Bewusstsein zu rufen ist bei der Suche nach Lösungen und Alternativen zur Autofahrt einmal ganz wichtig.
Dass der Kurzstrecken-Individualverkehr einen ganz erheblichen Anteil an der Verkehrszunahme hat, lässt sich neben den oben angeführten Statistiken auch mit heimischen Beispielen belegen:
Wer kennt im Ennstal nicht die Geschichte der Stainacher Umfahrung; einer Ortsumfahrung, die sicherlich notwendig war. Nach deren Eröffnung im Jahre 2001 wurde die durch den Ort führende Straße zurückgestuft, die Fahrbahnbreite eingeengt, die Ampel entfernt und für den Ortskern sogar eine 30 km-Beschränkung verordnet. Mit einem Wort: Die ehemalige Durchzugsstraße wurde so hergerichtet, wie es für die Entwicklung und das Leben in einem Ort dienlich ist.
Aber schon 4 Jahre nach dem Bau dieser Ortsumfahrung hatte die durch den Ort führende Straße ein Verkehrsaufkommen, mit dem wohl niemand gerechnet hat. Die offizielle Verkehrszählung des Landes Steiermark weist für 2004 – wie im 5. Gemeindeforum dargelegt – für die Ortsdurchfahrt in Stainach eine 24-Stunden Tagesbelastung (Werktagsverkehr Di-Do) von 5.880 Fahrzeugen, für die Umfahrungsstraße der B 320 hingegen 10.460 und die L 741 (im Bereich zwischen Irdning und Aigen) 5.240 Fahrzeuge aus.
Es ist wohl kaum anzunehmen, dass bei der zurückgebauten Ortsdurchfahrt der Durchgangsverkehr einen höheren Anteil hat. Offensichtlich ist hauptsächlich hausgemachtes Verkehrsaufkommen und die Siedlungsstruktur verantwortlich für die große Verkehrsbelastung im Ort. Die Einkaufsmöglichkeiten liegen in unseren Orten vielfach außerhalb des Ortszentrums. Für jede kleine Besorgung wird gleich das Auto benutzt und natürlich ziehen Supermärkte auch Kunden aus der näheren Umgebung an. Der Erhalt der Nahversorgung ist zwar ein politisches Schlagwort, hat aber mit der Realität wenig zu tun. Natürlich hat auch die Kundschaft einen entsprechenden Anteil an dieser Entwicklung. Wer Nahversorgung will, muss sie auch durch ein entsprechendes Einkaufsverhalten ermöglichen.
Wenn wir die Zahl der Autofahrten verringern wollen, müssen wir unser gewohntes Mobilitätsverhalten hinterfragen. Kann doch immer wieder beobachtet werden, dass sich gar nicht wenige mit dem Mountainbike recht sportlich auf den Berg hinaufstrampeln und dann bei nächster Gelegenheit, jede noch so kleine Besorgung oder die Anfahrt ins Sportzentrum bzw. zur Laufstrecke mit dem Auto erledigen. In vielen anderen Ländern und auch in den Städten hat das Fahrrad als Kurzstrecken-Verkehrsmittel einen wesentlich höheren Stellenwert. Selbstverständlich müssen auch die Wohn- und Siedlungsgebiete noch Fußgänger- und Fahrradfreundlicher werden. Was in anderen Ländern schon weit verbreitet ist, sollte auch bei uns mehr Beachtung finden:
Gerade im Alpenraum ist das von Batterie und Elektromotor unterstützte Fahrrad ein gutes Verkehrsmittel für Kurzstrecken. Für längere Fahrten sollten öffentliche Verkehrsmittel in unsere Mobilitätsüberlegungen einbezogen werden. Mit den REX-Bahnverbindungen hat der Fahrplan – auch auf der sonst vernachlässigten Bahnstrecke des Ennstales – eine Aufwertung erfahren.
Gerade im ländlichen Raum kann man auf das Auto nicht so schnell verzichten, bei gutem Willen aber die Zahl er Autofahrten erheblich einschränken. Wenn wir es nicht freiwillig tun, werden uns die Notwendigkeiten des Klimaschutzes und die steigenden Treibstoffkosten zwingen, das gewohnte Mobilitätsverhalten zu überdenken und zu ändern.
Erstveröffentlichung in: AKTIVplus Nr. 113, 2007