Hans Kronberger
Die fossile Energienutzung steht nicht vor einer „Lieferklemme”, wie die Notsituation höflich umschrieben wird, sondern in Wirklichkeit vor ihrem schleichenden Aus.
Was ist passiert? Ein Ereignis von fundamentaler Bedeutung. Nur vergleichbar, als würde der Papst auftreten und sagen, die Sache mit dem Auftrag „Wachset und vermehrt euch!” war ein Irrweg und hat zu einer den ganzen Planeten bedrohenden Bevölkerungsexplosion geführt. Und er würde die Errichtung von Pillen- und Kondomfabriken einfordern. Der amtierende „Weltenergiepapst”, der Japaner Nobuo Tanaka, ist in Paris vor die gläubigen Anhänger der fossilen Energiewirtschaft hingetreten und hat in dramatischen Worten zur Umkehr aufgerufen. Während seine Vorgänger über Jahrzehnte das Dogma von der schieren Unversiegbarkeit der fossilen Rohstoffquellen hoch hielten, rückt Tanaka die blanken Zahlen heraus. Und die sagen alles: Die Reservebunker der Welt sind weit leerer, als bisher angenommen.
Die Verknappung, so der Präsident der Internationalen Energie Agentur (IEA), wird im Jahre 2013 zu einer Energiekrise führen, gegen die die aktuelle Finanzkrise, gelinde ausgedrückt, ein harmloses Ereignis ist. Tanaka geht von einem Ölpreis von über 200 Dollar im Jahre 2013 aus. Nicht weniger gruselig die Aussage vom Chef des französischen Ölmultis „Total”, Christoph de Margerie, im Februar dieses Jahres: Er diagnostizierte, dass die derzeitige Fördermenge von 87 Millionen Barrel pro Tag nicht mehr wesentlich überschritten werden könne. Ein Eingeständnis, das die Ölmultis immer um einige Jahrzehnte in die Zukunft verlagert haben, nämlich, dass der berüchtigte „Peak Oil” als das Erreichen des Fördermaximums bereits eingetreten ist.
Der Terminus „Krise” trifft mit Sicherheit nicht die Situation der fossilen Energieversorgung. „Krise” ist etwas Überwindbares. Die fossile Energienutzung (der atomaren geht es noch schlechter) steht nicht vor einer „Lieferklemme”, wie die Notsituation höflich umschrieben wird, sondern in Wirklichkeit vor ihrem schleichenden Aus. Diese These muss auch die Basis für Energiediskussionen der Zukunft sein. Selbstverständlich werden Gegenargumente und, wenn es sie gibt, gegenteilig lautende Indizien mit eingebunden. Aber gerade die österreichische Politik und speziell die Gremien, in denen diese gezimmert wird, den Sozialpartnerorganisationen (AK, ÖGB, WK) und in der Industriellenvereinigung, neigen in der Frage der Energiezukunft zur massiven Realitätsverweigerung.
Ein kleines Beispiel dafür: Während der größte deutsche Gasversorger von einer Unterversorgung Europas mit Erdgas von 27 Prozent im Jahre 2020 spricht (trotz Pipelineausbaues), erklärt ein österreichischer Minister im Parlament, Gas gebe es zur Genüge für hundert Jahre. Die österreichische Gaslobby schwafelt ungeniert von 200 Jahren. Dringend nötig wäre eine offene Diskussionen auf Basis von Fakten. Nur sie können das Fundament einer zukünftigen Energiestrategie bilden.
Behübschungsaktionen, aufgebaut auf Wunschvorstellungen von Lobbyisten, aufgebaut auf falschen Zahlen unter Rücksichtnahme auf Kurzzeitegoismen und zurecht geschminkt von wendigen „Kommunikationsfachleuten”, führen nicht zum Ziel.
Wir brauchen keine Strategien zur Konfliktvermeidung, sondern aktive Programme für eine saubere, nachhaltige und sozial verträgliche Energieversorgung.
Hans Kronberger ist Energieexperte und ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments. Der Kommentar ist zuerst in erschienen in „Ökoenergie” Nr. 75/2009