Reinhard Seiß
Landschaftsfraß, Sterben der Ortskerne, Verkehrsflut. Niemand verlangt von der heimischen Politik, all diese Probleme zu lösen – nur sollte sie endlich aufhören, sie beständig zu forcieren.
Wer verschwenderisch mit seinen Ressourcen umgeht, hat entweder im Überfluss davon – oder handelt leichtsinnig, um nicht zu sagen verantwortungslos. Es obliegt der Selbsteinschätzung der politischen Entscheidungsträger, ob die heimische Siedlungsentwicklung der vergangenen Jahrzehnte von Überfluss oder Leichtsinn getragen war. Faktum ist jedenfalls, dass Österreichs Reichtum an intakter Natur und Landschaft, an vitalen Städten und Dörfern sowie an finanziellen Ressourcen endend – und in manchen Fällen bereits aufgezehrt ist. Dabei sind viele Probleme wie Zersiedlung, Suburbanisierung und Verkehrsbelastung, das Geschäftesterben, die Defizite im öffentlichen Verkehr oder die Krise der Kernstädte wie des ländlichen Raums keine unabänderlichen Phänomene, sondern werden durch bestehende Strukturen, Gesetze, Steuern und Förderungen verursacht oder zumindest verschärft.
In keinem vergleichbaren Staat Europas herrscht auf nationaler Ebene ein derartiges Vakuum an siedlungspolitischer Verantwortung wie in Österreich. Raumordnung, Umwelt- und Naturschutz, Wirtschaftsförderung und in zunehmendem Maße auch Verkehrsplanung sind in erster Linie Aufgabe der neun Bundesländer – in zentralen Standortfragen sogar Sache der 2358 Gemeinden.
Gleichwohl fallen auf Bundesebene maßgebliche Entscheidungen für die räumliche Entwicklung – sei es im Verkehrs- oder Landwirtschaftsministerium, sei es im Wirtschafts- oder Finanzministerium –, doch vielfach ohne die nötige Koordination mit den Zielen der Raumplanung. So besteht auf gesamtstaatlicher Ebene ein Nebeneinander, ja oft ein Gegeneinander verschiedenster Gesetze, Förderprogramme und Investitionen. Und auf kommunaler Ebene herrscht ein ruinöser Wettlauf um Einwohner, deren Zahl über den jeweiligen Anteil am Steuerkuchen im Rahmen des Finanzausgleichs entscheidet, sowie um Unternehmen, deren Kommunalsteuern die einzige relevante Einnahme für das Gemeindebudget bedeuten.
Die Summe egoistischer Ortsentwicklungen ergibt jedoch noch keine optimale Siedlungsstruktur für eine ganze Region – wie etwa das Beispiel Vösendorf zeigt, das dank der Shopping City Süd zu den reichsten Gemeinden Österreichs zählt. Die negativen Effekte von Europas größtem Einkaufszentrum gehen allerdings weit über die kleine Nachbargemeinde Wiens hinaus: Der Einzelhandel in den Bezirken Mödling und Baden sowie in Teilen der Bundeshauptstadt hat durch die SCS irreversiblen Schaden genommen – und die gesamte Region leidet unter der Belastung von 50.000 Autos, die täglich in das Shoppingcenter strömen. Von den Steuern der SCS entfällt auf die betroffenen Gemeinden im Umland Vösendorfs hingegen nichts. Derartige kommunalpolitische Einzelgänge können nur deshalb „erfolgreich” verlaufen, weil die übergeordneten Landesregierungen bei der Kontrolle kommunaler Planungen oftmals politischem Druck von Gemeinden und regional bedeutsamer Investoren nachgeben – und darüber hinaus kaum effiziente regionalplanerische Vorgaben definieren.
Konkurrenz herrscht nicht nur zwischen Gemeinden – auch zwischen Bundesländern bestehen Interessenskonflikte zum Schaden der gesamträumlichen Entwicklung, für deren Lösung mangels bundespolitischer Kompetenzen keine übergeordnete Institution zuständig ist: Man denke beispielsweise an den seit Jahrzehnten währenden Wettstreit zwischen Wien und Niederösterreich um Einkaufszentren und Gewerbeparks dies- oder jenseits der gemeinsamen Grenze, der bis heute zur Suburbanisierung im Agglomerationsraum beiträgt und der Hauptstadtregion einen europäischen Spitzenwert, ja eine Überversorgung an Einzelhandelsfläche pro Einwohner beschert hat. Oder an die wechselseitige Blockade der Modernisierung der Südbahnstrecke durch die Landesregierungen von Niederösterreich und der Steiermark – wobei Graz einen Ausbau der alten Semmering-Strecke ablehnt und St. Pölten den geplanten Semmering-Tunnel naturschutzrechtlich verhindert.
Die für das hochrangige Schienennetz zuständige Bundesregierung sieht dieser landespolitischen Eigenbrötelei seit Mitte der 1990er-Jahre zu und nimmt damit immense Planungs- und Projektkosten sowie schwerwiegende verkehrs- und wirtschaftspolitische Versäumnisse in Kauf. Denn der Kapazitätsengpass auf diesem internationalen Transitkorridor führt zu weiteren Verkehrsverlagerungen auf die Straße – und schwächt wie jedes Infrastrukturdefizit den Wirtschaftsstandort Österreich.
Gesamtstaatliche Kompetenzen – im Fall des Semmering-Tunnels etwa ein Bundesnaturschutzgesetz, das einen Rahmen für die Ländergesetze bilden könnte – wären auch zur Wahrung österreichischer Interessen innerhalb der EU vonnöten. Österreich ist bei Ministerkonferenzen zu Raumordnungsthemen in Brüssel durch keinen Minister, Staatssekretär oder Sektionschef vertreten, sondern durch einen Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt sowie jenen Landeshauptmann, der gerade im Turnus der Länderkonferenz vorsteht – und sich wohl vor allem den Interessen seines Bundeslandes verpflichtet fühlt.
Offensichtlich geht der Trend aber weiter in Richtung Abbau bundespolitischer Zuständigkeit. So wurden die Autobahnen und Schnellstraßen an die Asfinag ausgelagert – und die sonstigen Bundesstraßen Anfang des Jahrzehnts den Ländern übertragen. Ähnlich verhält es sich im Schienenverkehr, wo die Verantwortung zunehmend an die privatisierten Bundesbahnen, an die EU (den transnationalen Verkehr betreffend) und an die Bundesländer (den Regionalverkehr betreffend) abgeschoben wird.
Das ist umso unverständlicher, als dem Bund nach wie vor – direkt oder über den Umweg des Finanzausgleichs – die Finanzierung der abgetretenen Aufgaben zukommt. So geben die Länder und Gemeinden Bundesgelder aus, ohne dabei an einheitliche Standards, Effizienz- oder Qualitätskriterien gebunden zu sein. Bestes Beispiel dafür sind die ausgeprägte Zersiedlung Österreichs und die damit verbundenen öffentlichen Kosten für die technische Infrastruktur. Laut Berechnungen der Österreichischen Raumordnungskonferenz aus dem Jahr 1999 (aktuellere Zahlen bestehen dazu nicht) bedeutet die weit verbreitete extensive Besiedlung durch aufgelockerte Bebauungsformen volkswirtschaftliche Mehrkosten – allein für die Errichtung und Erhaltung von Straßen, für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung – von jährlich 150 Millionen Euro im Vergleich zu einer Flächen und Infrastruktur sparenden Besiedlung. Diese Kosten entstehen in erster Linie durch die undisziplinierte Flächenwidmungsplanung sowie die fehlende Bodenpolitik der Gemeinden, werden aber – so die ÖROK-Studie – durch die kommunalen Haushalte in der Regel nur zu 16 Prozent getragen. 37 Prozent entfallen auf die Gebührenzahler – unabhängig davon, ob sie in einem dicht oder locker bebauten Teil des Gemeindegebiets leben – und 47 Prozent auf Bund und Länder.
Ähnlich verhält es sich bei den sozialen Folgekosten der Zersiedlung – etwa bei den Transportausgaben für Kindergarten- und Schulkinder, Heimhilfen, Pflegedienste oder bei der Aktion „Essen auf Rädern”: In einem stark zersiedelten Gebiet sind diese elfmal, in einem Streusiedlungsgebiet gar 23-mal so hoch wie in einem kompakten Siedlungskörper – getragen werden sie aber ohne Unterschied zu 67 Prozent vom Bund, zu 15 Prozent von den Ländern sowie zu je neun Prozent von den Gemeinden und den Leistungsempfängern.
Noch gar nicht quantifiziert wurden bisher die ökologischen Folgekosten unserer ressourcenintensiven Siedlungsentwicklung, die gemäß einer Untersuchung des Umweltbundesamtes tagtäglich 17 Hektar Boden (das entspricht 31 Fußballfeldern!) in Anspruch nimmt und von immer mehr Autoverkehr – und damit auch von immer mehr Energieverbrauch, Abgasen, Kohlendioxid und Lärm – begleitet wird. 1970 gab es in Österreich lediglich 160 Pkws pro 1000 Einwohner, bis Ende des 20. Jahrhunderts hat sich dieser Wert auf 495 mehr als verdreifacht – und seither noch weiter auf 533 erhöht.
Diese Entwicklung wird von der Politik nicht nur unzureichend bekämpft – sie wird durch Förderungen, Steuern und Gesetze geradezu forciert. An vorderer Stelle steht dabei die Wohnbauförderung in Höhe von derzeit 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, die vom Bund den Ländern zugewiesen und von diesen vergeben wird. Zwar bestehen heute in einigen Bundesländern, etwa in Vorarlberg, erste Ansätze zur Koppelung der Förderhöhe an die Standorteignung oder den Flächenverbrauch eines Wohnbaus, doch reichen die marginalen Zu- oder Abschläge bei Weitem noch nicht aus, um eine steuernde Wirkung zu erzielen. In Wien, Oberösterreich und Kärnten werden frei stehende Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese nach wie vor im selben Ausmaß unterstützt wie von öffentlichem Verkehr erschlossene Mehrfamilienhäuser. Angesichts der großen Bodenpreisdifferenzen zwischen zentralen und peripheren Lagen fungiert die Wohnbauförderung so schon seit Jahrzehnten als Motor von Zersiedlung und Suburbanisierung.
Zur Verdeutlichung: Während sich die Einwohnerzahl Wiens im Zeitraum 1971 bis 2001 um rund viereinhalb Prozent respektive um 70.000 Bürger verringert hat, nahm die Bevölkerungszahl in Umlandgemeinden wie Biedermannsdorf, Laxenburg, Münchendorf, Wiener Neudorf, Mauerbach oder Wolfsgraben um weit über 100 Prozent zu.
Noch schwerer wiegende Auswirkungen auf die Siedlungsstruktur hat die direkte wie indirekte Subventionierung des Autoverkehrs, die das suburbane Wohnen, Einkaufen und Arbeiten in der heutigen Dimension überhaupt erst ermöglicht. Trotz Kfz- und Benzinsteuern, trotz Vignette, einzelnen Mautstrecken und innerstädtischen Parkgebührzonen werden die Kosten des motorisierten Individualverkehrs zu einem großen Teil von der Allgemeinheit getragen – zumal nicht nur die Ausgaben für Straßenausbau und -sanierung zu Buche schlagen, sondern beispielsweise auch die Personalkosten für die polizeiliche Straßenüberwachung, die Folgekosten von Autounfällen oder das viel zu günstige, großteils aber kostenlose Parken im öffentlichen Raum. Immens ist allein der öffentlich finanzierte Flächenverbrauch für die Verkehrsinfrastruktur: Einer Studie des Verkehrsclubs Österreich zufolge entfallen auf jeden Österreicher 238 Quadratmeter Verkehrsfläche – und täglich werden für unsere Mobilität insgesamt 2,7 Hektar Boden neu versiegelt. In Wien wird bereits ein Fünftel des gesamten Siedlungsraums von Straßen und Parkplätzen eingenommen. Sollte die österreichische Bundeshymne je einen neuen Text erhalten, müsste eine Zeile „Land der Häuschen, Land der Straßen” lauten.
Der Substanzverlust der Kernstädte in den vergangenen beiden Jahrzehnten ist zum einen durch die Mechanismen der Suburbanisierung bedingt – zum anderen verstärken die Städte mit ihrer Planungspolitik aber auch selbst viele Fehlentwicklungen. Am Beispiel Wien ist zu beobachten, dass die übergeordneten Ziele aus den Stadtentwicklungsplänen, Verkehrskonzepten, Grüngürtel- und Klimaschutzprogrammen für eine lebenswerte, kompakte und funktional durchmischte Stadt – mit attraktiven öffentlichen Räumen, einer fußläufigen Nahversorgung und einem flächendeckenden Netz an leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsmitteln – durch die faktische Stadtentwicklungspolitik konterkariert werden: durch subventionierte Einfamilienhaussiedlungen im Grüngürtel der Stadt, durch Wohn- und Büroviertel von enormer Dichte aber ohne entsprechende Nutzungsvielfalt, durch Einkaufszentren an der Peripherie sowie durch die Omnipräsenz des Autos im gesamten Stadtgebiet.
So hat sich Wien inzwischen einen eigenen „Speckgürtel” innerhalb seiner Stadtgrenzen geschaffen, was sich auch an der Bevölkerungsbewegung ablesen lässt: Während die fünf großen Stadterweiterungsbezirke 10, 11, 21, 22 und 23 im Zeitraum 1991 bis 2001 um rund 59.000 Einwohner gewachsen sind, haben alle anderen Bezirke (bis auf die Brigittenau mit ihrem hohen Zuwandereranteil) Bewohner verloren – insgesamt knapp 49.000. Das Auseinanderklaffen von stadtplanerischen Zielen und planungspolitischen Entscheidungen hat selbst den österreichischen Rechnungshof im Jahr 2003 zu einer harschen Kritik an der Bundeshauptstadt veranlasst.
In ländlichen Regionen treten durchaus vergleichbare Auflösungserscheinungen der gewachsenen Siedlungskörper zutage wie in den urbanen Zentren: Abwanderung insbesondere junger Bürger, Abfluss der Kaufkraft in die Einkaufszentren im Speckgürtel der Landes- und Bezirkshauptstädte, Absterben der fußläufigen Nahversorgung, Verlust an Arbeitsplätzen zugunsten der Gewerbeparks in den Suburbanisierungsräumen, zunehmende Abhängigkeit vom Auto. Auch hier trägt die Bundespolitik Mitverantwortung an der räumlich-strukturellen Entwicklung. Die Schließung etwa von Postämtern und Gendarmerie- respektive Polizeidienststellen schwächt die ohnehin stark angegriffene Eigenständigkeit peripherer Regionen und kostet wertvolle Arbeitsplätze. Die Ausdünnung oder Einstellung von Eisenbahnverbindungen reduziert die Lebensqualität des ländlichen Raums für nicht automobile Bevölkerungsgruppen noch weiter. Und die jüngste Subventionskürzung für Ökostromanlagen betrifft einen der wenigen wirtschaftlichen Hoffnungsträger in agrarisch geprägten Gebieten.
Das Unvermögen der für die Raumordnung zuständigen Länder und Gemeinden, diese Probleme allein zu lösen, legt ein stärkeres und ganzheitliches siedlungspolitisches Engagement des Bundes nahe – wie dies auch der im Juli präsentierte Österreichische Baukulturreport fordert. Anregungen und Ermutigungen dazu bieten vergleichbare westeuropäische Staaten zur Genüge. So verfügen auch unsere beiden föderalen Nachbarn Deutschland und Schweiz selbstredend über Bundesraumordnungsgesetze und -programme – obwohl die politische Autonomie ihrer Länder respektive Kantone ungleich größer ist als in Österreich. Die helvetische Bundesraumordnung beispielsweise bezweckt keineswegs, die Kompetenzen der regionalen Gebietskörperschaften zu beschneiden, sondern schreibt lediglich Grundsätze der räumlichen Entwicklung vor. Doch verpflichtet der Bund die Kantone, ihre Planungsinstrumente konsequent anzuwenden, und behält sich vor, die kantonalen „Richtpläne” zu genehmigen oder zurückzuweisen – und davon abhängig Gelder zu genehmigen oder verwehren.
Auch Österreichs Regionalplanung bräuchte ein Controlling auf Bundesebene, zumal die vorhandenen Qualitätssicherungsinstrumente in der Landes- und Kommunalplanung nur wenig bewirken. Seien es die Umwelt- und Raumverträglichkeitsprüfungen, die bei größeren Projekten wie Einkaufszentren, Großkinos, Müllverbrennungsanlagen oder Straßenbauten auf Druck der EU hin mittlerweile Pflicht sind – in ihren Ergebnissen aber kaum einmal überraschen, wenn die Politik hinter einem Widmungs- oder Bauvorhaben steht. Sei es die in Österreich oft nur laienhaft oder widerwillig durchgeführte Bürgerbeteiligung in der Planung, die mit einer bürgerschaftlichen Mitbestimmung und Mitgestaltung wie in der Schweiz – wo über Autobahntrassen ebenso abgestimmt wird wie über größere Flächenumwidmungen – genauso wenig gemeinsam hat wie mit der Partizipation in Deutschland, wo kommunalpolitische Beschlüsse durch Bürgerbegehren aufgehoben werden können.
Wie in Österreich hat sich auch in Deutschland die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den massiv anwachsenden Flächenverbrauch – in der BRD rund 200 Hektar pro Tag – drastisch zu senken. Daher geben inzwischen die meisten Länder ihren Kommunen verbindliche Baulandkontingente vor, wobei im Sinne einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung Gemeinden mit leistungsfähigem öffentlichem Verkehr mehr neues Bauland zugesprochen bekommen als Gemeinden mit hoher Autoabhängigkeit. Zudem wurde die „Eigenheimförderung” des Bundes, eine Möglichkeit zur Steuerabschreibung beim Erwerb von neuem Wohnungseigentum, im Jahr 2005 abgeschafft. Geblieben sind die Wohnraumförderungsprogramme der Länder, die – wie etwa in Nordrhein-Westfalen – ganz bewusst zur Steuerung der Siedlungsentwicklung eingesetzt werden. So ist es das vorrangige Ziel der Wohnungs- und Städtebaupolitik des Bauministeriums in Düsseldorf, die Wohnbautätigkeit in den stagnierenden Großstädten zu konzentrieren. Dazu wird zur Grundförderung von 20.000 bis 45.000 Euro ein sogenannter Stadtbonus in Höhe von weiteren 20.000 Euro gewährt, wenn Wohnraum in einer der 32 Städte des Landes geschaffen wird. Darüber hinaus genießt die Sanierung von Wohnungsbestand Vorrang gegenüber Wohnungsneubau.
Eine nachhaltige Verkehrspolitik wiederum würde hierzulande zunächst eine drastische Redimensionierung der bestehenden Autobahn- und Schnellstraßenausbaupläne bedingen. Des Weiteren müssten international erprobte Modelle der City-Maut für die heimischen Stadtzentren adaptiert – und das öffentliche Parken in allen größeren Städten flächendeckend kostenpflichtig werden. Schließlich sollte durch eine angemessene Anhebung der Benzinsteuer zumindest ansatzweise eine Kostenwahrheit im motorisierten Individualverkehr hergestellt werden. Die so zu lukrierenden beziehungsweise einzusparenden Finanzmittel müssten in den flächendeckenden Ausbau und die überfällige Attraktivierung von Bahn und Bus fließen. Auch hier kann die Schweiz als Vorbild dienen, die ihre Verkehrspolitik nicht nur an wirtschafts- und standortpolitischen Zielen, sondern zunehmend an raumordnungs-, umwelt- und klimapolitischen Vorgaben orientiert. Ursprünglich für den Straßenbau zweckgebundene Gelder fließen dort zu großen Teilen in die Schieneninfrastruktur – wobei der Bund ausdrücklich auch für den Nah- und Regionalverkehr Verantwortung zeigt und die Probleme der Agglomerationsräume nicht den Kantonen und Gemeinden überlässt. Die Legitimierung für diese Politik holte sich die Regierung beim Souverän: In einer Volksabstimmung in den 1980er-Jahren entschied sich die Schweizer Bevölkerung für eine budgetäre Bevorrangung des öffentlichen Verkehrs.
Quelle: Die Presse, 7. Dezember 2007