Subhash

„Ich habe sieben Autos!”

Wie soll, kann, darf man leben, wenn einem die (Um-) Welt und die nachkommenden Generationen nicht gleichgültig sind? – Diese Frage stellen sich die Bewohner(innen) der Kommune Niederkaufungen in der Nähe von Kassel immer wieder aufs Neue.

Sie sind vor bald 25 Jahren angetreten, eine Alternative zum Kapitalismus und seinen verderblichen Auswirkungen zu entwickeln. Ökologisches Arbeiten, Wohnen und Handeln war von Anfang an eines der ambitionierten Ziele des „Vereines der Freunde umweltfreundlichen Lebens und Arbeitens”: Gebäude wurden saniert und gedämmt und ein Blockheizkraftwerk mit möglichst geringen Emissionen installiert, das auch Strom erzeugt. Regenwasser wird zum Wäschewaschen, Klospülen und Gartenbewässern verwendet. Ein Wohngebäude erwärmt sein Brauchwasser durch eine Solaranlage.

Arbeitsplatz, Kindertagesstätte und Wohnung liegen auf einem Gelände. Übertragbare Monatskarten lassen den öffentlichen Verkehr gut nutzen. Zur Zeit wird in einem Forschungsprojekt der Einsatz verschiedener Typen von Elektro-Leichtfahrzeugen getestet, die jede(r) nach Einschulung verwenden kann, wenn er oder sie bereit ist die nötigen wissenschaftlichen Aufzeichnungen zu führen.

Es gibt eine gemeinsame Kleiderkammer, eine Bibliothek, gemeinsame Nutzung der beiden Waschmaschinen, Großeinkäufe, eine gemeinsame Großküche und anderes mehr. Das hilft Geld und Ressourcen zu sparen. Die Kommune Niederkaufungen versteht sich nicht als Askeseprojekt und sie entscheidet auch nicht als Gruppe über „wahre” oder „falsche” Bedürfnisse. Sie hat eine gemeinsame Ökonomie – wirtschaftet also in und aus einem Topf – und keine Taschengeld-Regelung, sondern jede(r) nimmt nach ihren/seinen Notwendigkeiten und Bedürfnissen aus der gemeinsamen Kasse. Jeder(r) hat gleiche Zugangsmöglichkeiten zum gemeinsamen Eigentum und Geld. Es gibt monatlich eine detaillierte Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben, die alle einsehen können. Über größere Ausgaben (mehr als 150,– €) wird gemeinsam entschieden, so wie über Investitionen auch. Die Entscheidungsfindung geschieht nicht in einem Mehrheitsverfahren, sondern im Konsens aller Betroffenen. Wöchentlich finden Plena statt, weiters gibt es Kleingruppen, die Vorschläge vorbereiten, und zwei Mal pro Jahr Klausurtage.

Derzeit leben etwa 60 Erwachsene und 20 Kinder und Jugendliche in mehreren unterschiedlich großen und intensiven Wohngemeinschaften. Reproduktionsarbeit hat den selben Stellenwert wie Erwerbsarbeit. Kinder werden gleichermaßen von Männern und Frauen betreut und erzogen. Es gibt viel Gelegenheit zu unterschiedlichster Arbeit. In der Kommune Niederkaufungen wird eine Baufirma, eine Tischlerei, eine Tagespflege für demente Senior(inn)en und eine Kindertagesstätte, die auch Kinder von außerhalb besuchen, betrieben, ein Tagungshaus, eine Obst-Manufaktur (mit 200 Apfelsorten!), Vieh- und Landwirtschaft, Bio-Gemüse- und Samenbau, Hofladen, eine Beratungsgruppe, sowie Küche und Catering.

Mo lebt seit Anfang an in der Kommune. Sie ist das mit den sieben PKW. „Oder auch gar keinem, wie man es nimmt. Jedes Mal, wenn ich meinen Vater besuche, komme ich mit einem anderen Wagen.” Die sieben PKW teilen nämlich alle Kommunard(inn)en. So kommt einer auf 8,6 Leute. Im deutschen Bundesdurchschnitt wären es knappe 2 Personen pro Wagen. Auch sonst hat das Teilen positive Folgen für die Umwelt, wenn es auch noch viel zu tun gibt: Eine Untersuchung ergab, dass der ökologische Fußabdruck nur ein Drittel des/der durchschnittlichen Deutschen beträgt.

Mehr, beispielsweise über das Elektrofahrzeug-Projekt, finden Sie auf www.kommune-niederkaufungen.de, wo es unter anderem zwei ausführliche Broschüren zum Download und zu kaufen gibt und sogar Filme bestellt werden können. Für Interessent(inn)en werden „Kommune-Seminare” durchgeführt.

Subhash (September 2010)

Link

Ein Bericht über die Kommune Niederkaufungen in der Schweizer WOZ: Schritte ins andere System